web20spot.de: Web 2.0 für Dummies.
Was machen zweieinhalb Blogger, wenn sie Langeweile haben? Sie gründen ein Weblognetzwerk natürlich. Und weil man dafür außer “reich und schön werden” (was in D eh nicht klappt, weil zu wenig Idioten auf die Dialler… ehm Werbebanner klicken) einen Vorwand braucht, machen sie das zu einem Thema, bei dem jeder Normalo (das sind die Typen in der Fußgängerzone, die ihr Geld nicht für Karton-Pizza und Sushi und USB-Gadgets ausgeben).. also jeder Normalo ‘Hä?’ sagt und jeder Netzveteran ‘Naja, OK. Gabs schon 1995.’ und jeder Blogger sofort den ‘Blog This!’-Button bemüht:
Web 2.0
Also: Vier deutsche Blogger (PM: “Berlin/Frankfurt/Lörrach/Neubiberg”, yesss!) gründen mit heutiger Wirkung und in Nachahmung einer US-Initiative (“Von Amerika lernen heißt Pleite gehen lernen und zur Ablenkung Leute bombardieren.”) das Weblognetzwerk Web2.0Spot.de. Dabei sind in der Reihenfolge der Originalwebsite aber irgendwie alphabetisch unsortiert (wahrscheinlich nach Schwanzlänge oder wer mehr saufen kann oder wer schon mal ne Frau im Computerraum vonne Uni angesprochen hat ohne eine in die Eier zu kriegen, wasweissich): Connected Web, BlogAge, web-zweinull und live.hackr.
Taktisch klug (bisschen Lob muss sein): Sie verraten zumindest in ihrer Pressemitteilung nicht, was Web 2.0 sein soll, außer “hochaktuell und spannend”. Weil wir nicht wollen, dass unsere Leser dumm sterben (Hm, warum eigentlich nicht?), müssen wir halt den Job von den Spottern (ha, was ein Witz) machen. Ok, was soll’s.
Also: Web 2.0 für Dummies.
Früher hatte man Homepages und musste alles von Hand machen. Homepagebesitzer waren Helden der Arbeit mit vi und Notepad. Dazu war ein Mindestmaß von IQ notwendig. Jetzt hat man 1-2-3-Klick-Weblogs und ‘Edit this page’Wikis und jeder Blondi, der seine (Computer!)Maus grade halten kann und schon mal Solitär gespielt – wenn auch nicht gewonnen – hat, kann sich jetzt was zusammenklicken, was cool aussieht. Selber machen muss man gar nix, denn wenn man ne Dummheit schreibt, kommt jemand anders blondes und kommentiert oder man bastelt sich die Inhalte einfach aus fremden RSS-Feeds zusammen, die die neue Technik soweit versteckt, dass man gar nicht mehr merkt, dass der Kram von anderswo kommt.
In den früheren Homepages hatte man auch so was wie ne halbwegs logische Navigation nach Kategorien oder Themen. Das braucht man jetzt auch nicht mehr, denn weil man sein Hirn soweit mit Alcopops und Pillen und TV-Daylies zerstört hat, dass man keine logischen Zusammenhänge mehr wahrnehmen oder gar herstellen kann, benutzt man Inhaltsschnipsel (im Prinzip dienen die zum Suchmaschinenspamming), die man ‘tags’ nennt, zur Verschleierung dessen, dass man auch keinen Plan hat, worüber man grade Inhalte abgesondert hat: “Web,weblog,weblogs,Blog,Blogs, Info, web20, web2.0, web 2.0,blog,blogs,wiki,wikis” würde man z.B. diesen Artikel taggen.
Früher war das Netz langsam, jetzt isses fix, weil alles in AJAX ist; das ist irgendwas mit Javascript und von dem haben alle coolen Leute immer gesagt, es sei irgendwie doof – jetzt isses aber irgendwie die Rettung des Planeten, dolle Sache also. Ajax ist auch das Zeug, mit dem meine Urgroßmutter schon den Boden vor dem Holzbackofen geschrubbt hat. Zukünfige Skriptingsprachen heißen dann OMO und AfriCola. Und Google nutzt jetzt auch Ajax, deswegen tat vorgestern auch das Markieren von Spam bei meiner Google Mail nicht. Horrido. Das wollte ich immer haben: Software, die an einem Tag tut und am anderen nicht. Was wär das Leben langweilig. Schöne neue Welt. Es geht jetzt also schnell, dafür geht es auch schnell kaputt. Bisschen ganz fast so wie die Welt außenrum. Was bin ich beruhigt. XML/RPC spielt bei AJAX auch ne Rolle, aber das klingt wie ne neue Virenabart, das wollen wir gar nicht so genau wissen. Wir sind nicht geimpft, weil wir Angst vor Nadeln haben.
CSS ist bei dem neuen Webdingsbums auch noch wichtig. “Trennung von Inhalt und Form” faseln die Geeks da. Das hat da oben mit dem RSS zu tun und heißt: ‘Jetzt kannste die Inhalte einfach klauen und musst nicht umständlich die fremde Formatierung von deinem Cousin raus-skripten lassen, der in Mathe immer ne Eins hatte, bevor Du deine eigene Porno-Dialler-Werbung danebenknallst, klar? Alles senkrecht!’ Das war CSS. Weiter.
Ach ja, sozial ist das Web 2.0 auch. Das heißt in etwa, dass Leute, die nicht wissen was wichtig ist, ihre Infos von Leuten filtern lassen, die auch keinen Plan haben und halt Krams zusammenklicken der halbwegs gut unterhält. Sozusagen die Anwendung des RTL II-9live-Prinzips auf das Netz. Darauf haben wir gewartet: “Klickt Scheiße, Milliarden Tagger können nicht irren!”
Ansonsten heißt ‘sozial’ nur, das es zugeht wie 1995 im Usenet. Jeder halbintelligente Spammer müllt einem die Blogkommentare und das Wiki zu, während er sich vorher auf die halbwegs SPAM-dichte Malbox beschränken musste. Danke, Web 2.0. Uns war die halbe Stunde am Tag, die wir zum Mailsortieren brauchten, in der Tat noch nicht genug. Wir ham ja sonst nix mehr vor.
OK, über diese Segnung der Menschheit bloggen nun diese vier Leute und präsentieren uns die Headlines auf einer bisher werbefreien Webseite, auf der noch ein überkewles ‘BETA’ prangt, was in Web2.0-Speak wieder in etwa heißt: “Vier RSS-Feeds auf eine Seite zu packen und zu entscheiden, ob das Hellblau zum Orongsch passt, war ein komplexes Zwei-Jahres-Projekt, das wir keine Lust haben, noch weiterzudiskutieren, weil das Bier alle ist; also macht ihr mal, Leute. Es lebe das fliegende Spaghettimonster!” Naja, jedenfalls können wir da jetzt klicken und gucken, weswegen in den Vorstandetagen der DAX-Unternehmen bald der eine oder die andere aus dem einen oder anderen Grund n feuchtes Höschen kriegt.
Gut, ich wollt nur mal zeigen, dass Don Alphonso-Stil und Web2.0-Bashing nicht ganz so schwer sind ;-).
Im Ernst: Natürlich ist so ne Aggregationsseite nützlich und ein ßberblick über deutschsprachige Artikelchen zu Web 2.0 schadet auch nicht. Web 2.0 ist ne tolle Sache und so. Trinkt nicht so viel und schönen Freitag noch.
[2005-12-16 09:52 | Oliver Gassner | ]
[Kat. gadgets ]
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